Am Montag haben wir auf unserer Facebookseite ein sehr interessantes und ausführliches Interview mit der ehemaligen Brandenburgerin Vivien Scholz veröffentlicht.
Die Resonanz darauf war sehr groß und positiv und es gab einige Wünsche, das Interview auch hier auf der Homepage für alle zugänglich zu machen.
Dem Wunsch wollen wir natürlich nachkommen. 😉
TTVB: Hallo Vivien, ich freue mich sehr, dass du Zeit für uns gefunden hast. Denn das war gar nicht so leicht, da du, wie du mir im Vorfeld bereits erzählt hast, aktuell deinem Vater beim Spargelverkauf fleißig hilfst. Hast du das auch schon in den letzten Jahren gemacht oder hast du jetzt erst in der Corona-Zeit etwas Zeit dafür gefunden?
Vivien: Hallo, dadurch, dass ich bis vor Kurzem noch in Düsseldorf gewohnt habe, konnte ich meinem Vater bisher nicht helfen. Jedoch, seitdem ich wieder zu Hause wohne, bin ich voll dabei. Genauso, wie meine Brüder und meine Oma. Ich muss sagen, es macht mir auch wirklich Spaß und ich tue es gerne.
TTVB: Dann bist du nun also wieder zurück im wunderschönen Brandenburg. 🙂 Wie kam es dazu?
Vivien: Ich war in Düsseldorf fertig mit meinem BWL-Studium und bin zurück in mein Elternhaus nach Kleinmachnow gekommen. Da die Trainingsbedingungen bei den Füchsen und besonders bei Eastside, in der dortigen Trainingsgruppe von Peter Engel, sehr gut waren, war mein Plan, eigentlich erstmal wieder hier zu leben und in Berlin dann unter professionellen Bedingungen zu trainieren.
TTVB: In die Heimat zurück zu kehren und trotzdem voll auf die Karte Tischtennis zu setzen, klingt ja eigentlich nach einem tollen Plan. Doch was ist dazwischengekommen?
Vivien: Vor einigen Wochen hat sich Peter Engel entschlossen, Berlin wieder zu verlassen und zusammen mit einigen Spielerinnen seiner Trainingsgruppe im Ausland unter noch besseren Bedingungen eine Trainingsgruppe zu gründen bzw. sich einer Gruppe anzuschließen. Da er von mir als Spielerin und unserer bisherigen Zusammenarbeit begeistert war, hatte er auch mich gefragt, ob ich ihn nicht begleiten möchte.
TTVB: Wow, das klingt nach einer tollen Chance. Auch wenn du dafür die Heimat leider nach so kurzer Zeit wieder verlassen musst. Doch was ist nun mit deinem geplanten Wechsel zu Eastside, der bereits in der Zeitung verkündet wurde und anscheinend so gut wie sicher war?
Vivien: Nachdem ich eine Zeit lang in Berlin trainiert habe, sind die von Eastside auf mich zugekommen und wollten gerne, dass ich bei ihnen in der 1. Mannschaft als feste Stammspielerin in der nächsten Saison spiele. Zum einen, weil ich eine sehr gute Bilanz in der 2. Bundesliga gespielt habe. Zum anderen, weil sie jetzt mehr auf junge deutsche Spielerinnen setzen wollen und ich als gebürtige junge Berlinerin perfekt in ihr Konzept herein passe. Hinzu kommt noch, dass ich mit Irina Palina sehr gut befreundet bin und sie bei vielerlei Vereinsaufgaben hätte unterstützen können. Von dem Angebot war ich sehr geschmeichelt und war mir ziemlich sicher, dass ich es annehmen werde. Bis sich dann kurz darauf Peter entschied, ins Ausland zu gehen und mir die Chance bot, mitzukommen.
TTVB: Puh, das klingt nach einem kleinen Dilemma. Aber war es nicht möglich, sowohl für Eastside zu spielen, als auch im Ausland bei Peter zu trainieren?
Vivien: Theoretisch ja, doch ich wusste, dass ich die Aufgaben für Eastside, welche ich neben den Bundesligaspielen absolvieren sollte, dann nicht mehr so erledigen könnte, wie ich es zum einen gerne wollte, aber auch wie der Verein sich das von mir vorgestellt hatte. Zusätzlich wäre natürlich das Trainieren im Ausland, aber Spielen in Berlin, komplizierter geworden.
TTVB: Das bedeutet also, dass du das tolle Angebot von Eastside ausgeschlagen hast?
Vivien: Ja, leider musste ich das tun. Für mich war das wirklich alles ein riesen Dilemma. Zum einen hatte ich gerade mit Weil den Aufstieg in die 1. Bundesliga geschafft. In Weil habe ich mich ja so wohl gefühlt, Serge und Doris haben sich super um mich gekümmert, ich wurde von Coach Alen sehr gut betreut und die Stimmung in der Halle war immer großartig. Zum anderen kam jetzt das Angebot von Eastside, beim vielleicht besten Verein Europas, dort als feste Stammspielerin zu spielen und dann kam auch noch das umwerfende Angebot, mit Peter ins Ausland zu gehen. Das war natürlich ein einmaliges Angebot. Bisher hatte ich noch nie einen Trainer, der sich so komplett um mich gekümmert hat, mit dem ich mal kontinuierlich an bestimmten Dingen arbeiten kann. Ein Trainer mit so viel Erfahrung und Herzblut.
TTVB: Du hattest dann also auch die Wahl, in Weil zu bleiben?
Vivien: Ja, na klar. Dort hatte ja auch alles gepasst. Auf den Punkt gebracht hatte ich dann auf einmal die Entscheidung zwischen 3 super Sachen, Wohlfühlen bei Weil und 1. Liga spielen oder beim Deutschen Meister und CL Sieger Eastside sportlich ganz oben mitmischen oder die Gelegenheit, mich sportlich intensiv weiterzuentwickeln.
TTVB: Das klingt nach drei großartigen Möglichkeiten, die sich viele Spielerinnen so wünschen würden. Für was hast du dich nun endgültig entschieden?
Vivien: Am Ende haben meine sportliche Entwicklung und der Spaß am Tischtennis überwogen und mich zu der Entscheidung gebracht, das Abenteuer mit Peter zu bestreiten und gleichzeitig aber noch weiter als Ersatzspielerin in Weil nicht den Kontakt zu verlieren. Ich kann mich dadurch, dass ich in Weil nicht fest eingeplant bin, erstmal im Ausland gut einrichten (was mir sonst auch alles sehr viel geworden wäre), mich auf mein Training konzentrieren und habe so mehr Zeit, vermehrt internationale Turniere zu spielen. In der Rückrunde kann man dann ja nochmal gucken.
TTVB: Das klingt nach einer wirklich gut durchdachten, wenn auch sehr schwierigen Entscheidung, über die sicher einige Brandenburger, die dich gerne vor der Haustür bei eastside regelmäßig spielen gesehen hätten, aber traurig sein werden. Du wirst in Zukunft also erstmal nur auf die Karte Tischtennis setzen?
Vivien: Ja. Jetzt werde ich mich in nächster Zeit erstmal nur auf Tischtennis konzentrieren. Genauso, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ich habe auch extra zügig mein Studium in Angriff genommen, um so schnell wie möglich für Tischtennis Zeit zu haben.
TTVB: Das ist wirklich bemerkenswert und ein kleines Märchen, an das sich sicherlich auch einige Brandenburger Talente ein Beispiel nehmen werden. Schauen wir mal auf deine Anfänge. Wenn wir richtig recherchiert haben, hast du beim SV 05 Rehbrücke angefangen. Wie alt warst du da und wie ging es dann für dich weiter?
Vivien: Mit 7 Jahren habe ich damals in der Trainingsgruppe von Gerd beim SV 05 Rehbrücke trainiert. In den Ferien bin ich oft mit meinem Vater und seinen Tischtennisfreunden nach Erdmannsdorf ins Trainingslager gefahren. Als ich bei meiner ersten Kreismeisterschaft Xenia Steinorth spielen und siegen gesehen habe, wollte ich unbedingt auch so gut werden wie sie und bin in ihren damaligen Verein SG Geltow gewechselt. Hier haben sich René Wuttke und Falco Dost super um uns beide gekümmert. Angestachelt von meinen ersten Erfolgen, trainierte ich nun noch nebenbei bei Jobst Lückel und Klaus Lietzau. Jeder von ihnen gab mir viele nützliche Tipps und Erfahrungen mit auf den Weg.
TTVB: Das hört sich nach einem tollen Start in die TT-Karriere an. Bereits mit 9 hat sich das viele Training richtig ausgezahlt. Denn du bist erstmals Landesmeisterin geworden. Dabei gewannst du sowohl das Halbfinale gegen Freya Fromme als auch das Finale gegen Julia Preuß, die im Halbfinale deine Vereinskameradin Xenia Steinorth besiegt hatte, mit 12:10 im 5. Satz. Kannst du dich an diesen 1. Titel noch erinnern?
Vivien: Na klar kann ich das. Dieser Erfolg war für mich der mit Abstand emotionalste und auch der einprägsamste. Da ich ein Jahr zuvor bei der LEM noch in der ersten Runde rausgeflogen bin, hatte ich mir absolut keine Chancen ausgemalt und als es im Finale 6:10 gegen mich stand, hatte ich nicht mehr groß an den Sieg geglaubt. Aber die Stimmung in der Halle war wie elektrisiert und ich habe einen kompletten Tunnelblick bekommen und konnte das Spiel tatsächlich noch drehen.
Anmerkung der Redaktion: Hier gibt es ein kurzes Video von den letzten Punkten im Finale.
https://youtu.be/RZ-X03-noDo
TTVB: Doch der Titel bei den C-Schülerinnen sollte ja dann nur der erste von sehr vielen Landesmeistertiteln sein. Weißt du, wie viele Landesmeistertitel du in den 7 verschiedenen Bundesländern, in denen du bisher gespielt hast, insgesamt gewonnen hast?
Vivien: Ehrlich gesagt nein. Nach dem Titel in Brandenburg ist mir das noch in Sachsen, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen im Einzel, Doppel und Mixed einige Male geglückt.
TTVB: Wenn wir richtig recherchiert haben, waren es in den Nachwuchsaltersklassen 5 Landesmeistertitel im Einzel, 5 im Doppel und einer im Mixed. Im Damenbereich konntest du 5 Landesmeistertitel im Einzel, 4 im Doppel und einen im Mixed gewinnen. Das ganze in 6 verschiedenen Bundesländern! Eine beeindruckende Titelsammlung!
Aber schauen wir nochmal weiter auf deinen sportlichen Werdegang. Mit 10 Jahren hast du den Schritt ins Tischtennisinternat in Dresden gewagt. Wie kam es dazu?
Vivien: Durch meine Teilnahme an den nationalen Stufenlehrgängen habe ich mitbekommen, dass gerade die Spielerinnen in den großen Bundesländern deutlich mehr als ich trainierten und auch von ihrer Leistung her schon ein großes Stück weiter waren als ich. Um sie einzuholen bzw. zu überholen, wollte ich unbedingt ebenfalls so gute Trainingsmöglichkeiten wie sie. Trotz der guten Förderung von Herrn Beyer, der mir half, wo er nur konnte, waren doch die Trainingsbedingungen im Land Brandenburg deutlich eingeschränkter als in den großen Bundesländern. Um gleich nach Düsseldorf aufs Internat zu gehen, war ich noch zu jung und noch nicht gut genug. Auf die Empfehlung der Bundestrainer hin entschloss ich mich, das Internat in Dresden zu besuchen.
TTVB: Nach zwei Jahren in Dresden bist du dann in das Deutsche Tischtennisinternat in Düsseldorf gewechselt. Wie sah dort dein Training aus?
Vivien: Montag bis Donnerstag Frühtraining 7-9 Uhr. Dann Schule von 10-14:30 Uhr. Von 15:30-18 Uhr Nachmittagseinheit und circa jeden 2. Tag eine Abendseinheit Fitness. Je nachdem, welcher Trainer da war, ist das Programm immer minimal abgewichen.
TTVB: Gleichzeitig mit deinem Wechsel auf das Internat in Düsseldorf bist du vereinsmäßig aus Sachsen auch zurück nach Brandenburg gekommen. Für den 1. KSV Fürstenwalde hast du in der Oberliga gespielt und bereits mit 14 Jahren wurdest du Landesmeisterin bei den Damen. Auch hier hast du dich 5 Jahre nach deinem Erfolg bei den C-Schülerinnen äußerst nervenstark gezeigt. Im Viertelfinale gegen Carolin Mews, im Halbfinale gegen Julia Kasbaum und im Finale gegen Linda Diekow konntest du jeweils mit 4:3 gewinnen. Sind die Spiele im Entscheidungssatz eine Stärke von dir?
Vivien: Früher war das so. Als ich mir noch nicht allzu viele Gedanken über alles gemacht habe und frei aufgespielt habe, konnte ich auch teilweise sehr clever spielen. Mittlerweile bin ich ziemlich ängstlich geworden, was knappe Situationen angeht.
TTVB: Nach zwei Jahren Fürstenwalde ging es dann für dich weiter in die Regionalliga zu den Füchsen Berlin, ehe du wiederrum nach zwei Jahren den Schritt nach Poppenbüttel in die 3. Bundesliga getan hast. Von dort ging es dann ein Jahr später weiter nach Schwarzenbek, mit denen du erstmals in der 2. Bundesliga spielen durftest. Auch mit deinen späteren Vereinen Tostedt und Weil bliebst du der Liga treu und bist mittlerweile eine gestandene Spielerin in der 2. Bundesliga. Wie kam es zu den vielen Vereinswechseln und wie zufrieden bist du mit deiner bisherigen Karriere?
Vivien: Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich mich bei fast allen Vereinen sehr wohl gefühlt habe. Jedoch entwickelte ich mich sportlich immer ein Stück weiter und musste dementsprechend auch immer versuchen, eine Liga höher anzutreten. Das war leider nie möglich. 3 Mal wurde die Mannschaft zurückgezogen, einmal fühlte ich mich ziemlich unwohl und einmal wollte der Verein mit der Mannschaft trotz Meisterschaft nicht aufsteigen.
An so eine Karriere hätte ich nie geglaubt, nachdem ich bei meiner ersten Norddeutschen Rangliste in Quickborn von 18 Teilnehmerinnen nur 17. wurde. Ich bin also wirklich sehr zufrieden.
TTVB: Wie hast du es geschafft, dich aus einer guten Spielerin in Brandenburg zu einer Spielerin zu entwickeln, die nun in der 1. Bundesliga spielen wird?
Vivien: Mit Training, Training, Training. Wie schon erwähnt, habe ich gerade in Internatszeiten sehr viel Trainingsumfang trotz meines Abiturs gehabt. Und das war wirklich nicht leicht, nebenbei auch in der Schule noch sehr gut abzuschließen. In den Ferien trainierte ich wochenlang auch in China bzw. Japan oder Schweden. Während des Studiums war es deutlich schwerer, an mein vorheriges Training anzuknüpfen, da ich ja kein regelmäßiges Internatstraining mehr mitmachen konnte. Stattdessen war ich jetzt auf Verabredungen mit einzelnen Spielerinnen angewiesen. Oft passierte es mir auch, dass, wenn wir dann trainieren wollten, nicht in die Halle durften, weil ich ja nicht zur Damennationalmannschaft gehörte. Es war für mich oft nicht einfach, mich in Düsseldorf zu behaupten. In dieser Zeit musste ich versuchen, aus dem relativ wenigen Training das Maximale rauszuholen und klüger zu trainieren.
TTVB: Das ist wirklich beeindruckend. Nach so vielen Jahren in Düsseldorf steht für dich nun also ein neues Abenteuer an. Wenn du jetzt voll auf die Karte Tischtennis setzt, wirst du ja ein Ziel vor den Augen haben? Wie sieht das aus?
Vivien: Mein Ziel ist ohne Frage weiterhin mit viel Spaß und Freude mein bestes Tischtennis spielen zu können. Ganz heimlich liebäugle ich damit, mal bei einem größeren Turnier auf dem Podest zu stehen.
TTVB: Das hört sich doch sehr ambitioniert an und wir drücken dir fest die Daumen, dass du es in den nächsten Jahren mal schaffen wirst. Was waren denn bisher eigentlich deine größten Erfolge in deiner Karriere?
Vivien: Der Top-48 Sieg der Mädchen 2013 in Lehrte, der 3. Platz beim Top-48 der Damen 2017 in Duisburg und der 3. Platz bei den Deutschen Meisterschaften der Damen und Herren im Mixed-Doppel 2020 in Chemnitz zusammen mit Frederik Spreckelsen. Ich habe mich aber auch über jeden kleinen Sieg sehr gefreut. Besonders über meinen Sieg bei der Berliner Meisterschaft 2014 gegen Soraya Domdey und über meinen Erfolg 2012 im Halbfinale gegen Julia Kasbaum bei der Brandenburger Meisterschaft, da beide immer eine Art Vorbildfunktion für mich hatten.
TTVB: Das sind doch wirklich schon Wahnsinns Erfolge, die du bisher erreicht hast und wir sind jedes Mal aufs neue stolz, wenn wir dich irgendwo auf dem Podest oder auch nur als Teilnehmerin bei hochkarätig besetzten Turnieren sehen.
Vivien, wir danken dir sehr für das tolle, offene und mittlerweile sehr lange Interview.
Viel Erfolg in der 1. Liga, in deiner neuen Trainingsgruppe und auf den internationalen Turnieren.
Ganz besonders wünschen wir dir aber Gesundheit für deine weitere Leistungssportkarriere. 😊
Wir hoffen, in einigen Jahren mal wieder mit dir sprechen zu können, um die TT-verrückten Brandenburger über deinen Weg und die Erfolge der letzten Jahre zu informieren. 😊